Dabei bin ich auf ein Konzept gestoßen, das einiges an Entwicklungspotential verspricht.
http://www.tubecad.com/2018/05/blog0424.htm
(untere Teil „Negative-Feedback Phono Stages)
Dieses NFB-Konzept (Negative-FeedBack) beruht zwar auf ein gegengekoppeltes System, es ist aber gleichstromgekoppelt. Man kann mit wenig bis keine Probleme durch Phasenverschiebung rechnen.
Dazu ist im Kleinsignalbetrieb eine hohe Flexibilität zu erwarten und wenig Probleme wegen eines im Grunde genommenen (für Röhrensysteme) niederohmigen Aufbaus.
Als erstes habe ich daraus einen Line-Verstärker mit der PCL805/ECL805 entwickelt.
Erst mal die technischen Daten:
Verstärkungsfaktor: 4 (Faktor 6, 8 oder 10 durch Änderung eines Widerstandes möglich)
Ausgangswiderstand: ca. 1Ohm
Eingangswiderstand: 2,2MOhm (ohne Poti), wird bestimmt vom maximal zulässigen Gitterableitwiderstand
Klirrfaktor (1kHz): 0,003% (k2), 0,0001% (k3) an 100kOhm Last bei 2V (eff) Ausgangspegel
0,004% (k2), 0,0002% (k3) an 10kOhm Last bei 2V (eff) Ausgangspegel
Frequenzgang: 10Hz – 40kHz (100kOhm Last) besser 0,1dB
10Hz – 40kHz (10kOhm Last) ca. 0,1dB (mit größeren Ausgangskondensator besser.
Störabstand: ca. 80dB (10 – 70Hz), ab 100Hz besser 100dB (Testbrettaufbau)
Hier der Schaltplan:

Mit Änderung von R7 kann die Verstärkung angepasst werden.
Die Verstärkung berechnet sich aus R7 : R4 = v
Der Kondensator C1 verhindert Schwingungen und ist abhängig vom Aufbau zu dimensionieren und sollte maximal 10pF betragen. Ist ein höherer Wert erforderlich, so sollte der Aufbau geändert/angepasst werden.
Am Ende des Posting sind einige Messschriebe aufgeführt.
Wie funktioniert die Schaltung?

Eine Eingangswechselspannung verursacht einen Wechselstrom am Anodenwiderstand R2.
Dieser Wechselstrom wird über T1 auf R5 „gespiegelt“ und verursacht eine „große“ Wechselspannung an R5.
Zugleich wird die Ausgangswechselspannung auf die Katode zurück gekoppelt (Katoden-FeedBack)
Jetzt erweitert man die Geschichte um einen Katodenfolger.

Der Anodenstrom wird durch R3 bestimmt. Die Basis-Emitter-Spannung (eines Siliziumtransistors) beträgt ca. 0,6V.
0,6V : 100 Ohm = 6mA
Mit 6mA fallen aber keine 2,3V am Katodenwiderstand R4 ab, der Spannungsabfall würde nur 0,9V (-0,9V negative Gittervorspannung) betragen.
Die Röhre steuert weiter durch, der Strom durch R3 steigt, dadurch steuert der Transistor T1 weiter durch.
Das Gitter von der zweiten Triode (Katodenfolger) wird positiver und die Triode steuert weiter durch.
Das verursacht einen höheren Katodenstrom im Katodenfolger, also auch einen höheren Strom über R7 durch R4.
Wird der Strom zu hoch, fällt eine höhere Spannung an R4 ab, die erste Triode steuert weniger durch, der Transistor steuert weniger durch, das Gitter der zweiten Triode wird negativer und der Strom durch die zweite Triode sinkt.
Das ganze erreicht ein Gleichgewicht wenn ein Strom von etwas über 9mA durch die zweite Triode fließt.
Die Berechnungs-/Dimensionierungsgrundlagen sind nicht mehr ganz so trivial.
Als erstes sucht man sich aus dem Datenblatt einen praktischen Arbeitspunkt für die erste Triode.
Hier habe ich -2,3V an 100V Anodenspannung ausgesucht. Laut Datenblatt fließt dann ein Strom von ca. 6mA.
Hinweis: Bei indirekt geheizten Röhren fängt schon bei ca. -1,3V an ein Gitterstrom zu fließen, bei einigen Röhren mehr, bei einigen Röhren weniger.
Das kann mehr oder weniger starke Verzerrungen verursachen. Also weit weg vom Gitterstrombereich bleiben.
Mit den 6mA habe ich den Anodenstrom. Danach berechnet sich der Anodenwiderstand nach R3 = 0,6V : 6mA, macht 100Ohm.
(0,6V kommt von der Basis-Emitter-Spannung, ab der der Transistor anfängt durch zusteuern)
Ein wechselnder Strom durch R3 verursacht einen wechselnden Strom durch T1, also auch durch R5. Das verursacht eine (hohe) Wechselspannung an R5.
Dadurch ergibt sich eine Wechselspannungsverstärkung von:
Steilheit der ersten Triode * R5, 12,5mA/V * 68kOhm = 850
Das ist die Leerlaufverstärkung ohne Gegenkopplung.
Durch den Katodenfolger wird die Ausgangswechselspannung über R7 an die Katode der ersten Röhre zurück gekoppelt.
Die Verstärkung mit Gegenkopplung berechnet sich aus R7 : R4.
In dem Fall 5,1kOhm : 150 Ohm = 34
Hieraus ergibt sich der Gegenkopplungsfaktor. Der Gegenkopplungsfaktor ist der Faktor, um den die Leerlaufverstärkung gesenkt wird.
In dem Fall 850 : 34 = 25, der Gegenkopplungsfaktor beträgt 25.
Alle Unlinearitäten (Verzerrungen) der ersten Triode werden um den Gegenkopplungsfaktor gesenkt.
Auch der Ausgangswiderstand des Katodenfolgers wird um den Gegenkopplunsgsfaktor (g) verringert.
Der Ausgangswiderstand des Katodenfolgers berechnet sich aus 1 geteilt durch die Steilheit der Röhre, parallel zum Katodenwiderstand.
In dem Fall 1 / 12mA/V = 83,3Ohm, jetzt noch R7 parallel gerechnet, macht ca. 82 Ohm.
Jetzt wird dieser Ausgangswiderstand um den Gegenkopplungsfaktor gesenkt.
Das macht in dem Fall 82Ohm : 25 = 3,3Ohm.
Aber hier ist noch ein bisschen mehr zu beachten.
Eine Röhre hat eine vom Arbeitspunkt abhängige Steilheit. Die ECC88 hat bei 6mA Anodenstrom eine Steilheit von ca. 8mA/V.
Zusätzlich wird durch die Katodengegenkopplung (Stromgegenkopplung) über R4 die Steilheit zusätzlich gesenkt.
Als erstes wird der Innenwiderstand mit Stromgegenkopplung berechnet.
Ri` = Ri + (µ + 1) * Rk Ri`= Innenwiderstand mit Stromgegenkopplung
Ri = Innenwiderstand der Röhre (aus Datenblatt)
µ = Verstärkungsfaktor der Röhre (Datenblatt)
Rk = Katodenwiderstand
Ri`= 4kOhm + (31 + 1) * 150Ohm
Ri`= 8,8kOhm
Jetzt kann ich die neue Steilheit nach S` = µ : Ri` berechnen.
S`= 31 : 8800Ohm = 3,5mA/V
Damit kann ich die tatsächliche Leerlaufverstärkung berechnen.
S` * R5 = 3,5mA/V * 68kOhm = 238
Anschließend kann ich den tatsächlichen Gegenkopplungsfaktor (g) berechnen.
Das macht g = 7
Da ein Katodenfolger immer eine Spannungsverstärkung unter 1 hat, geht noch ein bisschen vom Gegenkopplungsfaktor verloren, über den Daumen geschätzt bleibt noch g = 6 übrig.
Durch die Stromgegenkopplung über R4 werden schon Unlinearitäten der Eingangstriode gesenkt.
Zusätzlich kommt die Gegenkopplung über R7.
Der Ausgangswiderstand wird aber nur noch durch den Gegenkopplungsfaktor gesenkt.
Raus = 82Ohm : 6 = 13,7Ohm
Ach ja, man kann als Katodenfolger jede beliebige Röhre einsetzen. Durch die Regelschaltung beträgt der Strom durch diese immer ca. 9mA.
Wenn man genau hinschaut, wird der Katodenfolger mit einer negativen Gittervorspannung von ca. -0,4V betrieben.
Es fließt ein Gitterstrom, der nicht unerhebliche Verzerrungen verursacht. Also müsste für die Praxis ein anderer Arbeitspunkt gesucht werden.
Also gibt es da einige Dinge, die bei der Dimensionierung zu beachten sind.
Was ergibt sich aus diesen Betrachtungen?
Die Verzerrungen verringern sich um den Gegenkopplungsfaktor, der Ausgangswiderstand wird um den Gegenkopplungsfaktor gesenkt.
Wie kann man den Gegenkopplungsfaktor steigern?
• Man erhöht die Gegenkopplung (die Verstärkung sinkt)
• Man setzt eine Eingangsröhre mit höherer Steilheit ein.
• Man erhöht R5 (ein Mindeststrom ist zu beachten, damit die Eingangskapazität des Katodenfolgers schnell genug umgeladen werden kann).
Da kann man auf einen Trick zurückgreifen, man setzt eine negative Hilfsspannung ein (diese muss nur ca. 1mA liefern).
Die negative Hilfsspannung kann man maximal auf die Spannungsfestigkeit von T1 erhöhen.
Damit wäre ein Widerstandswert von 1MOhm von R5 möglich.
Damit ergibt sich eine Leerlaufverstärkung von S` * R5 = 3500!
Eine Verstärkung (mit Gegenkopplung) von 34 ergibt einen Gegenkopplungsfaktor von g = ca. 100!
Welche (besondere) Eigenschaften hat die Schaltung?
Die Verstärkung wird durch das Verhältnis von R7 zu R4 bestimmt. Mit Änderung von R7 kann die gewünschte Verstärkung (in gewissen Grenzen) eingestellt werden.
Es ist auch egal ob eine nahezu neue Röhre eingesetzt wird oder eine, die schon etwas „ausgelutscht“ ist, die Verstärkung bleibt gleich, bestimmt durch R4 und R7.
Die Eingangskapazität ist recht gering.
Sie wird nur von der Kapazität zwischen Gitter und Anode + Gitter und Katode bestimmt.
Die Millerkapazität ist hier (nahezu) nicht wirksam.
Die Millerkapazität ergibt sich aus Gitter-Anoden-Kapazität * Spannungsverstärkung.
Da aber mit dem Anodenwiderstand von 100Ohm die Spannungsverstärkung bei nahezu 0 ist, kann man die Millerkapazität vernachlässigen.
Einige Leute werden wegen der Gegenkopplung die Nase rümpfen. Man beachte aber, dass jede Röhre intern schon gegengekoppelt ist, das nennt sich „Durchgriff“ (D) und berechnet sich aus D = 1/µ.
Einige Leute mögen auch relativ hohe K2-Anteile. Die werden in diesem Schaltungsprinzip nicht ihr Glück finden.
Auch der Transistor als Stromspiegel wird einigen nicht gefallen. Na ja, es gibt ja noch andere Konzepte ohne Halbleiter.
Das hier ist ein Konzept, das geringe Verzerrungen und einen geringen Ausgangswiderstand verspricht.
Als Lineverstärker sind die Verbindungskabel zwischen Line- und Endverstärker egal. Kabelkapazitäten spielen so gut wie keine Rolle. Auch der Eingangswiderstand der Endstufe ist (nahezu) irrelevant.
Also egal welches Kabel oder welche Endstufe, das Verhalten der Line-Stufe ist vorhersehbar, und das mit relativ geringen Aufwand.
Und wegen des überwiegend niederohmigen Aufbaus, kann z.B. die Gegenkopplung, also die Verstärkung, mit einem Schalter umschaltbar gemacht werden.
So kann z.B. mit einem Drehschalter der Lineverstärker optimal an Musikquelle und Endstufe angepasst werden.
Die Eigenkonzeption ist nicht ganz so einfach. Es sind viele Dinge zu beachten und miteinander in Einklang bzw. Gleichgewicht zu bringen.
Jetzt noch einige Messschriebe zu dem PCL805-Line-Preamp.
Hier der Frequenzgang mit 100kOhm Last und 2V (eff) Ausgangspegel (10Hz - 45kHz).

Hier der Frequenzgang mit 10kOhm Last und 2V (eff) Ausgangspegel (10Hz - 45kHz).

Der Pegel schwankt um ca. 0,1dB. Das liegt schon im Bereich der Messungenauigkeit.Man sieht nahezu keinen Unterschied zwischen 100kOhm und 10kOhm Last. (im unteren Bereich macht sich der Ausgangskondensator mit „nur“ 10µF bemerkbar).
Selbst mit einer Last von 1kOhm ist nahezu keine Änderung sichtbar. Hier zeigt sich der geringe Ausgangswiderstand der Schaltung.
Das Klirrspektrum mit 100kOhm Last und 2V (eff) Ausgangspegel (10Hz - 45kHz).

Der K2 bewegt sich nahezu über den ganzen Frequenzbereich bei 0,003%, der K3 bei 0,0001%. Zu höheren Frequenzen steigt er leicht wegen Aufbaukapazitäten und Eingangskapazitäten der Röhren an.
Das Klirrspektrum mit 10kOhm Last und 2V (eff) Ausgangspegel (10Hz - 45kHz).

Hier bewegt sich der K2 bei 0,004%, der K3 bei 0,0002%
Also selbst schwierige Lasten und Kabelkapazitäten am Ausgang wirken sich auf das Verhalten des Line-Preamp nur unmerklich aus.
Differenztonverzerrungen mit 19kHz und 20kHz.

Die Harmonische (1kHz) zeigt sich mit 0,0032%.Das sind sehr erfreuliche Werte, die selten von Röhrengeräten erreicht werden.
Und zum Abschluss noch der Störabstand (Eingang kurzgeschlossen) der Schaltung im Testaufbau auf einem Holzbrett ohne zusätzliche Abschirmung.

Im unteren Bereich sieht man alle möglichen niederfrequenten Störung aus dem 230V-Netz.Diese liegen trotzdem bei erfreulichen niedrigen -80dB.
Der Rest liegt bei unter -100dB.
Bei 35kHz macht sich das Schaltnetzteil meines Oszilloskop bemerkbar.
Alle Messungen wurden mit einem RTX6001-Analyzer und der Software STEPS (ARTA) durchgeführt.
Fazit:
Wer einen Line-Preamp sucht, der geringe Verzerrungen produziert, also nahezu nichts hinzufügt und weglässt, der sich von angeschlossenen unterschiedlichen Lasten nahezu nicht beeinflussen lässt, für den ist das NFB-Schaltungsprinzip eine Überlegung wert.
Das NFB-Schaltungsprinzip stellt einen RIAA-Preamp mit ähnlichen Werten in Aussicht.
Eine NFB-Stufe am Eingang, dann ein passives RC-Filter, danach noch eine NFB-Stufe.
Durch den niederohmigen Ausgang jeder NFB-Stufe ist sogar der direkte Einsatz eines LCR-Filters denkbar.
Auch einen Kopfhörer-Verstärker könnte man damit realisieren.
Gruß,
Frank Kneifel